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AutorenbildBernd Brormann

Wut

Bild: Anger / Wut - aus dem Film „Alles steht Kopf“ – Originaltitel „Inside Out“ - © 2015 Disney-Pixar all rights reserved

Wie geht es dir mit deiner Wut?


Was macht dieses Wort mit dir?


Kannst du Wut als etwas Wichtiges, als etwas Neutrales und Befreiendes erkennen, oder bist du eher die oder derjenige, der Wut mit etwas Unangenehmem verbindet und Wut versucht nicht hochkommen zu lassen, um das innenliegende Harmoniebedürfnis nicht zu gefährden?


Es gibt Menschen, die das Gefühl der Wut so stark ablehnen, dass Sie dieses Gefühl mit anderen Emotionen verwechseln, um die Wut gezielt zu unterdrücken.


Oft wurde Wut in der frühen Kindheit - insbesondere Wut auf unsere Eltern – als etwas Bedrohliches unterdrückt, denn Wut auf die eigenen Eltern kann auch als Gefährdung der lebenswichtigen Bindung zu den Eltern wahrgenommen worden sein.


So hat sich bei einigen Menschen ein gefährlicher Selbstschutz durch Harmoniestreben und Überanpassung als Muster entwickelt.


Typische Glaubenssätze, die man in Bezug auf dieses Thema verankert haben könnte, sind oft: "Ich muss mich dir anpassen" oder "Ich bin nicht gut genug", "Ich bin dir unterlegen", "Ich muss immer lieb und artig sein", "Ich darf mich nicht wehren".


Harmoniestreben ist genau wie Perfektionsstreben eine sehr häufig angewandte Schutzstrategie. Oft kommen sie gemeinsam zum Einsatz. Beide Strategien beschützen davor, von anderen Menschen abgelehnt zu werden. Menschen, die nach Harmonie streben, möchten möglichst alle Erwartungen ihrer Mitmenschen erfüllen. Sie haben als Kind die Erfahrung gemacht, dass dies der erfolgreichste Weg ist, um Zuwendung und Anerkennung zu erhalten. Um sich bestmöglich anzupassen, haben die Harmoniestreber schon früh gelernt, eigene Wünsche und Gefühle zu unterdrücken. Ein starker eigener Wille steht nämlich einer gelungenen Anpassung im Weg. Emotionen wie Wut und Aggression, die dem eigenen Willen ungeheure Schubkraft verleihen könnten, unterdrücken diese Menschen reflexartig. Sie sind aggressionsgehemmt. Auf persönliche Grenzverletzungen und Kränkungen reagieren sie eher mit Trauer als mit Wut. Deswegen sind Menschen mit dieser Schutzstrategie stärker gefährdet, in Depressionen abzugleiten, als Menschen, die einen guten Zugang zu ihren Wutgefühlen haben. Allerdings sind die Wutgefühle von aggressionsgehemmten Menschen nicht vorhanden, sondern sie transformieren sich in eine Art kalter Wut, die häufig in passiven Widerstand mündet. Anstatt also laut zu sagen, was sie wollen, ziehen sie sich beispielsweise beleidigt aus dem Kontakt zurück und mauern. Ob ein Mensch sich eher auf die Seite der Anpassung oder des Widerstandes schlägt, hängt nicht nur von seinen Kindheitserfahrungen ab, sondern auch von seinem angeborenen Naturell. So bringen Menschen mit einem hohen Harmoniebedürfnis zumeist ein friedfertiges und sensibles Gemüt mit auf die Welt, während Kinder, die sich gegen die elterlichen Erwartungen auflehnen, sich also auf die Seite der Rebellion schlagen, eher impulsiv veranlagt sind. Weil die zur Harmonie strebenden so gut trainiert sind, ihre eigenen Wünsche zu unterdrücken, wissen sie häufig selbst nicht, was sie wirklich wollen. Es fällt ihnen extrem schwer, persönliche Ziele zu definieren und Entscheidungen zu treffen. Im zwischenmenschlichen Umgang sind die Harmoniebedürftigen sehr freundlich und angenehm. Allerdings kann ihre Schutzstrategie Beziehungen manchmal sehr belasten oder sie gar zum Scheitern bringen. Harmoniesüchtige haben große Angst anzuecken und sind deswegen extrem konfliktscheu. Deswegen sagen sie oft nicht ehrlich, was sie fühlen, denken und wollen, zumindest dann nicht, wenn sie befürchten, hiermit auf Widerstand zu stoßen. Man nimmt also sein Gegenüber schnell als groß und überlegen wahr. Aufgrund dieser Wahrnehmungsverzerrungen geraten sie leicht in die Opferrolle. Aus Angst vor dem scheinbar Stärkeren ordnen sie sich diesem freiwillig unter und tun Dinge, die sie eigentlich nicht tun wollen. Der scheinbar Stärkere kann jedoch hierdurch in ihren Augen zum Täter mutieren, denn zumeist reflektiert der innere Erwachsene nicht, dass es die Projektionen des eigenen inneren Kindes sind, die sie zu einer freiwilligen Unterwerfung verleiten. Stattdessen verübeln sie dann dem Gegenüber seine scheinbare Dominanz. Je stärker in ihnen das Gefühl Platz nimmt, zu kurz zu kommen und von der anderen Person dominiert zu werden, desto mehr werden sie geneigt sein, sich von diesen Menschen zurückzuziehen, um ihren persönlichen Freiraum zu beschützen. In der Regel erhält der scheinbar Stärkere keine Chance in diesen Prozess einzugreifen, weil der Konfliktscheue sich hierfür selbst offenbaren müsste, was er jedoch aus seiner Grundangst, abgelehnt zu werden, vermeidet. Und somit tritt ein psychologischer Effekt ein, der häufig zu beobachten ist: Die Angstabwehr des scheinbar Schwächeren führt dazu, dass dem scheinbar Stärkeren genau das passiert, wovor der scheinbar Schwächere sich beschützen, in diesem Fall abgelehnt zu werden. Dies bezeichnet man als die sogenannte Opfer-Täter-Rolle.

 

Doch was ist die Qualität in dieser Strategie?

Alles was wir tun, hat für uns auch immer einen Gewinn. Bei dieser Strategie, gibst du dir unheimlich viel Mühe mit deinen Mitmenschen auszukommen, um sie nicht zu verletzen, das macht dich sympathisch und liebenswert und zu einem tollen Teamarbeiter, weil du dich und deine Bedürfnisse oft in den Hintergrund stellst.


Mit folgender Denkweise kannst du dir vielleicht selbst aus dieser Falle heraushelfen: Indem man sich meist zurück- und versteckt hält, wissen andere nicht woran sie an dir sind. Hierdurch verlierst du nicht unbedingt an Sympathie, sondern kannst an Sympathie sogar gewinnen, weil du für deine Mitmenschen leichter greifbar und transparenter wirst. Sie müssen sich nicht ständig den Kopf zerbrechen, was in dir vorgeht.

Für deine Mitmenschen ist es leichter, wenn du sagst, was du willst, als wenn du dich zurückziehst und schmollst. Hierdurch kannst du es vermeiden, dass du, ohne dass dies deine Absicht ist, vom Opfer zum Täter wirst.


Durch die Übung der Gewaltfreien Kommunikation, bei der es um die Kontaktaufnahme mit den eigenen Gefühlen geht, um diese dann als Wegweiser hin zu den eigenen Bedürfnissen nutzen zu können, ist eine Wiederverbindung mit der eigenen Gefühlswelt und hin zum Erkennen „was will und was brauche ich eigentlich“ möglich.


Zudem können im Coaching hinderliche Glaubenssätze, wie die oben genannten Beispiele, gewandelt werden, wobei der sekundäre Gewinn des Glaubenssatzes weiterhin gewährleistet wird und jedwede Veränderungsarbeit nur unter Berücksichtigung und in Vereinbarkeit der Ökologie des Coachees erfolgt.


Wut kann enorme Kräfte freisetzen, die auch mal destruktiv sein können und diese Kräfte können auch für die Veränderungsarbeit genutzt werden.

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